Univ. Doz. Dr. Wolfgang Hemmer

Biologe im Floridsdorfer Allergiezentrum in Wien

 

Kann jedes Insekt eine Insektengiftallergie hervorrufen?

Im Prinzip können alle stechenden oder stechend-saugenden Insekten eine allergische Reaktion auslösen. In den meisten Fällen sind dies jedoch eher harmlose Hautreaktionen, wie beispielsweise nach einem Gelsenstich. Schwere systemische Reaktionen, die über die Stichstelle hinausgehen und den ganzen Körper umfassen, sehen wir fast nur nach Bienen- und Wespenstichen. Die Reaktionen können manchmal auch lebensbedrohlich sein oder in seltenen Fällen sogar tödlich enden. Im Frühjahr kommt es v.a. zu Bienenstichen, da es zu dieser Zeit noch kaum Wespen gibt. Dies ändert sich jedoch im Laufe des Jahres, im Sommer und Spätsommer überwiegen dann die Wespenstiche erheblich. Insgesamt sind Wespen in Österreich für etwa 70 bis 75% aller allergischen Reaktionen verantwortlich.

Woran erkenne ich einen Wespen- bzw. einen Bienenstich?

In der Praxis ist es oft schwer bis unmöglich einen Wespenstich von einem Bienenstich zu unterscheiden, denn in allen Fällen ist der Stich schmerzhaft, es kommt schnell zur Rötung und zur Schwellung. Typisch für Wespen- und Hornissenstiche ist, dass der Stachel in der Regel nicht in der Wunde stecken bleibt. Das liegt daran, dass der Wespenstachel relativ glatt ist und gut wieder aus der Haut herausgezogen werden kann. Für einen Bienenstich ist typisch, dass das Stachel inklusive der Giftblase in der Regel in der Wunde stecken bleibt. So gelangt das Bienengift weiter in die Wunde hinein. Daher ist es bei einem Bienenstich wichtig, dass der Stachel möglichst rasch aus der Wunde entfernt wird, am besten durch seitliches Wegkratzen.

Wie kann man sich persönlich am besten vor Stichen schützen?

Das Wichtigste, um sich selbst vor Stichen zu schützen ist vorauszudenken, wo sich Insekten vermehrt aufhalten können. Sie sollten vermeiden, Barfuß zu gehen und ein geschlossenes Schuhwerk tragen. Bestimmte Orte, an denen Insekten zu erwarten sind, wie Mülleimer oder Stellen mit Fallobst, sollten gemieden werden. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist es unwichtig, welche Kleidung Sie tragen. Gepunktete oder geblümte Kleidung wirkt für Bienen und Wespen nicht attraktiver. Auch das Parfum spielt keine Rolle, denn die meisten Duftstoffe haben eher eine abschreckende Wirkung auf Wespen. Außerdem macht es keinen Unterschied, ob Sie helle oder dunkle Kleidung tragen. Dies könnte höchstens eine Bedeutung haben, wenn Sie ein Wespennest direkt stören und es zu einer Massenattacke durch viele Wespen kommt. In solchen Fällen wirkt helle Kleidung auf die Wespen nachweislich weniger attraktiv als dunkle.

OÄ Dr. med. Christine Bangert

Leiterin der kinderdermatologischen Ambulanz, Klinik für Dermatologie, Medizinische Universität in Wien

 

Kann sich meine Insektengiftallergie von allein bessern oder ganz verschwinden?

Eine Insektengiftallergie bessert sich normalerweise ohne Behandlung nicht von allein. Es ist nicht genau bekannt, welche Patienten, die allergisch reagiert haben, auch noch nach Jahrzehnten neuerlich auf einen Stich reagieren und welche nicht. Daher kann ich nur empfehlen, dass jeder bei dem eine Insektengiftallergie diagnostiziert wurde, sich nach dem Stich allergologisch betreuen lässt und nach Anraten auch eine allergen-spezifische Immuntherapie durchführen lässt. Denn alles andere kann tatsächlich fahrlässig sein.

Wann treten die ersten Symptome nach einem Stich auf und welche könnten das sein?

Bei einer schweren Insektengiftallergie treten die ersten Symptome sofort nach einem Stich auf (innerhalb der ersten Minute möglich). Die Symptome sind typischerweise ein metallischer Geschmack im Mund oder Juckreiz in den Ohren, an den Handflächen oder Fußsohlen. Weiteres können Betroffene ein leichtes Unwohlsein oder Angstgefühl verspüren. Diese Symptome sind mögliche Wegweiser für eine schwere allergische Reaktion innerhalb der nächsten 20 bis 30 Minuten.

Gibt es Symptome, die erst später auftreten und welche können das sein?

Innerhalb von fünf bis zehn Minuten kann sich Juckreiz über die Hände und Fußsohlen auf den ganzen Körper ausbreiten. Zusätzlich können Quaddeln am ganzen Körper entstehen, Schwellung an der Einstichstelle oder an anderen Köperstellen (Lippen, Augen) Atemnot, Heiserkeit, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Meist fühlen die Patienten Schwäche, Müdigkeit oder auch Angst, teils auch Herzrasen. Darauf kann ein Blutdruckabfall und im Extremfall ein Kreislaufstillstand folgen. Das passiert spätestens innerhalb von 20 bis 30 Minuten nach einem Stich. In seltenen Fällen kommt es nach sechs bis zwölf Stunden zu einer möglichen zweiten Reaktion. Die Symptome sind in dieser Phase jedoch schwächer und nicht mehr so stark ausgeprägt wie beim ersten Mal.

Wie unterscheidet sich eine Panikreaktion von einer allergischen Reaktion?

Eine Panikreaktion kann man in der Regel gut von einer allergischen Reaktion unterscheiden. Bei einer Panikattacke kommt es nicht zu Juckreiz, Schwellungen oder Ausschlägen am ganzen Körper. Bei Panikattacken kann Atemnot, Herzrasen und starkes Unwohlsein vorliegen. Der Blutdruck fällt nicht ab. Falls man nach einem Stich nicht sicher ist, ob es eine Panikreaktion war oder doch eine Allergie vorliegt, sollte man eine Insektengiftallergie zur Sicherheit abklären lassen.

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